DIE FRAU IN DEN DÜNEN – Leseprobe
Bühnenfassung von Kai Grehn
© henschel SCHAUSPIEL
(… Der aufgehäufte Sand wird in den Seilkorb geschafft und über Seilwinden hochgezogen.)
MANN
Die Burschen arbeiten wirklich großartig!
FRAU
Ja. In unserem Dorf herrscht der Geist der Heimatliebe!
MANN
Was für ein Geist?
FRAU
Die Liebe zur Heimat!
MANN
(Lacht.) Das ist an sich eine gute Sache. – Wollen wir jetzt eine Pause machen?
FRAU
O nein! Wenn die Leute mit dem Seilkorb die erste Runde hinter sich haben, kommen sie wieder!
MANN
Ach, lassen Sie uns doch aufhören! Den Rest machen wir morgen!
FRAU
Das geht nicht! Wir müssen mindestens einmal um das ganze Haus herum den Sand wegräumen!
MANN
Um das ganze Haus?
FRAU
Man kann doch nicht das Haus einstürzen lassen, weil von überallher Sand herunterkommt!
MANN
Aber dann müßten wir ja bis zum Morgen arbeiten! Das ist scheußlich! Ist das jeden Abend so?
FRAU
Der Sand macht keine Pause… Die Seilkörbe und der dreirädrige Wagen sind die ganze Nacht hindurch in Betrieb!
MANN
Das mag schon sein. Aber dann leben Sie ja nur, um immerfort Sand wegzuschaffen!
FRAU
Ich kann doch nicht einfach nachts hier weglaufen!
MANN
Natürlich können Sie es! Das ist doch ganz einfach! Sie brauchen es nur zu wollen, und Sie können es ohne weiteres!
FRAU
Das wäre unrecht! Das Dorf kann nur existieren, weil wir alle ständig den Sand wegräumen. Täten wir das nicht, würden die Häuser in zehn Tagen unter dem Sand begraben liegen. Und dann kämen, wie Sie sich denken können, die Häuser dahinter dran!
MANN
Sicher, das ist sehr lobenswert. Deshalb arbeiten wohl auch die Männer mit den Seilkörben so flink?
FRAU
Ja, sie werden vom Gemeindeamt bezahlt.
MANN
Wenn das Dorf soviel Geld hat, warum pflanzt man dann nicht einfach kräftige Hecken an, um sich vor dem Sand zu schützen?
FRAU
Unsere Methode ist viel billiger.
MANN
Ihre ‚Methode‘? – Warum hängen Sie eigentlich so an Ihrem Dorf? Mit dem Sand wird man jedenfalls nicht so einfach fertig! Sie irren sich sehr, wenn Sie glauben, man könne sich ihm mit einer solchen ‚Methode‘ widersetzen! Das ist absurd! Ich habe keine Lust, mich mit so einer absurden Sache noch länger zu befassen! Ich höre auf! Sie tun mir nicht mal leid!
(…)